Dienstag, 16. Dezember 2014

Fahrzeugwechsel vor der Reise von Launceston nach Stanley

'The Nut' und Stanley

Von Launceston brechen wir zu wilden Regionen Tasmaniens auf. Die Landschaft an der Nord-Westküste und ihr Hinterland ist „Created from Chaos“, besagt eine Informationstafel am ‚Table Cape Lookout’. Der Ort Stanley und die ‚Tarkine Wilderness’ im Hinterland gelten selbst in Australien als „The Edge of the World“. Das äußere Ende der Welt möchten wir natürlich erleben. Bevor wir jedoch die Etappe nach Stanley angehen, suchen wir am Morgen der Abreise eine Auto-Werkstatt auf, um ein weiteres Autoproblem zu ‚fixen’.(1) 


Reise nach Stanley - Fotostrecke

Table Cape Lookout
Wegen des Werkstattaufenthaltes müssen wir unser Besichtigungsprogramm auf der Fahrt nach Stanley kürzen. Deloraine ist schnell abgehakt. Die vermeintliche ‚Künstlerstadt’ ist eher ein großer Flohmarkt.
Auf den Shop des Käseherstellers ‚Ashgrove’ macht eine kuriose Außenanlage aufmerksam. Schaufenster zur Käserei und ein interessantes Angebot halten uns eine Weile auf. Im Shop treffen wir Jeramy, unser Wein-Guide vom vergangen Sonntag, und seine Frau Steffi, die uns auf dem Weingut Ninth Island begrüßt hat. Die beiden sind auf dem Weg nach Devenport, die bedeutendste Hafenstadt an der Nordküste Tasmaniens. Die Infrastruktur der nicht besonders attraktiven Stadt Devenport nutzen wir für einige Einkäufe, ohne uns länger aufzuhalten.
Im hübschen Küstenstädtchen Penguin treffen wir unsere schweizer Zimmernachbarn des Kurrajong B&B in Launceston. Die beiden sind zwar ziemlich geschwätzig, aber durchaus sympathisch.
Unsere letzte Zwischenstation vor dem Etappenziel ist bei Wynard der Lookout auf dem ‚Table Cape’, ein mehr als 100 m aufsteigendes mächtiges Plateau aus Lavagestein. Für einen Walk auf dem geologischen Trail zum Leuchtturm reicht die Zeit nicht mehr. Westlich vom ‚Table Cape’ in Sichtweite befinden sich in isolierter Lage zwei weitere vulkanische Landschaftsformationen: ‚Rocky Cape’ und ‚The Nut’.(2)


Estowen House in Stanley - Fotostrecke

Estowen House
Kurz vor 16:00 Uhr erreichen wir unser Etappenziel, den Ort Stanley. Den Schlüssel zum reservierten ‚Estowen House’ erhalten wir im Stanley Hotel. 1926 kauften Owen und Estelle Jacobs das 1880 im viktorianischen Stil errichtete Haus, in dem sie 67 Jahre lebten, bis sie 1990/1993 verstarben. Das geräumige Haus erweitern auf der Gartenseite 2 Anbauten, so dass uns neben einer geräumigen Küche und einem großen Bad 3 Schlafräume und 3 Wohnräume zur Verfügung stehen. Das Haus, etliche Möbelstücke und viele Einrichtungsdetails atmen den Geist einer mehr als hundertjährigen Geschichte.
Aktuelle Eigentümerin ist Enkelin Linda. Sie betreibt das Haus als Familienmuseum mit Gästebetrieb. Elektrizität, Wasserversorgung, Küche und Bad sind modernisiert. Die Betten sind komfortabel. Eine Waschmaschine (sehr nützlich!) ist ebenso vorhanden wie Mikrowellenkocher (wissen wir nicht zu bedienen) und ein modernes Fernsehgerät mit Satellitenempfang und DVD-Player (für uns verzichtbar). Ein Internetzugang fehlt leider. Im Pub des Stanley Hotels steht uns zwar „Free WiFi“ zur Verfügung, aber diese Option schränkt uns aus mehreren Gründen stark ein.(3)


Stanley - Fotostrecke

The Nut am Godfreys Beach bei Stanley
Der Ort Stanley liegt auf einem Isthmus, an dessen nord-östlichem Ende ‚The Nut’ ca. 143 m aufragt, ein fast kreisrundes Plateau vulkanischen Ursprungs. Bei ihrer Umrundung Australiens beschrieben Matthew Flinders und George Bass 1798 auch die Landmarke ‚The Nut’, eine freigewitterte erstarrte Magmakammer,die geologisch Lakkolith genannt wird. Auf das Plateau gelangen Besucher über den steilen 'Zig Zag Trail' oder per Sessellift. Der Charakter des Ortes zeichnet sich durch seine ursprüngliche Bebauung aus, zu der historische Führungen angeboten werden. Die Strände sind aus Quarzsand. In der Umgebung von Stanley befindet sich beinahe unberührte Natur. Im Süden besteht kaum erschlossener, ausgedehnter Regenwald, der nur erwandert oder in kleinen Bereichen offroad mit 4WD-Fahrzeugen befahren werden kann.




Highfield Historic Site der VDLC
Die neuere Geschichte des Ortes setzt 1825 ein. Im Auftrag der britische Krone organisiert ‚Van Diemen’s Land Company’ (VDLC) den Aufbau einer kolonialen Infrastruktur im Nordwesten Tasmaniens. Da die britische Krone Tasmanien als als Terra Nullius (unbewohntes Land) deklariert, genießen seit mindestens 10.000 Jahren in dieser Region lebende Aborigines keinerlei Rechte oder Rücksichten.
Erste Baumaßnahmen beginnen auf einem als ‚Highfield’ bezeichneten Hügel. Erhaltene Gebäude und ihre Einrichtungen bilden die öffentlich zugängliche ‚Highfield Heritage Site’. Der Eintrittspreis von $12 (ca. €8) hält uns vom Besuch eines Herrenhauses ab, das sich der Vertreter der VDLC bauen ließ.(4)
Laut Visitor Guide „Under the Nut – Stanley Heritage Walk“ siedelte VDLC Mitarbeiter aus England an. Dass nach Tasmanien verdammte ‚Convicts’ die Bauarbeiten leisten mussten, verschweigt die Broschüre ebenso wie den Einsatz von Militär und Massaker an Aborigines. Bei Gerichtsverfahren in England konnten selbst leichte Vergehen, wie einfacher Diebstahl oder Geldfälschung, die Verbannung in eine Sträflingskolonie nach sich ziehen. Um ‚Convicts’ unter Kontrolle zu halten und Einheimische zu eliminieren, war Militär am Ort stationiert. Auf dem ‚Highfield’ sind Ruinen ehemaliger Unterkünfte von ‚Convicts’ erhalten.

Church Street in Stanley
1827 wurde der für die Logistik unverzichtbare Hafen von Stanley in Betrieb genommen. Transporte fanden nämlich ‚in the old days’ nahezu ausschließlich auf dem Wasserweg statt. Eine Fischereiflotte nutzt aktuell den Hafen. Mitte der 1830er Jahre wurde der Friedhof eingerichtet und machte ein christliches Begräbnis in geweihter Erde möglich. Inschriften rühmen die Pioniere als Helden. Die von Christen an einheimischen Tasmaniern verübten Massaker bleiben unerwähnt. 1841 öffnete die Schule. 1842 fand die erste Kirchweihung statt. 1845 nahm ein Postbüro den Betrieb auf. Shops und Gebäude auf der Church Street entstanden um 1860. Ein Gang durch die Church Street und über den Friedhof vermittelt ein trügerisches Flair der Kolonialzeit. Gewalt und Grausamkeit waren Tagesordnung.
In der Gegenwart erwacht wirkliches Leben in Stanley jedoch nur in der Ferienzeit. Während der ‚Off-Season’ bleiben viele Einrichtungen geschlossen.



Anmerkungen

(1) In Hobart haben wir einen Hyundai i20 als Mietauto übernommen. Äußerlich ist das Fahrzeug o.k. Einige Macken machen fortgeschrittenen Verschleiß und minderwertige Fahrzeugqualität deutlich. Gestern Nachmittag brach unser einziger Autoschlüssel aus seinem Griffstück. Zum Glück lässt sich das Fahrzeug mit spitzen Fingern noch starten und schließen. Eine junge Lady an der Service-Annahme der Hyundai-Niederlassung Launceston zeigt sich äußerst bemüht. Mit etlichen Telefonaten erreicht sie, dass von der Vermietstation am Flughafen Launceston ein Ersatzfahrzeug gebracht wird. Das Fahrzeug vom gleichen Typ ist deutlich jünger und befindet sich in einem wesentlich besseren Zustand. Nach 1,5 Stunden Werkstattaufenthalt brechen wir zur nächsten Etappe auf.

(2) Aborigines-Mythologie deutet die Landmarken als 3 versteinerte Geschwister, die als Bestrafung aus der Gemeinschaft ausgeschlossen und isoliert wurden. Die Geschwister vernachlässigten ihre Aufgabe der Beaufsichtigung kleiner Kinder, um ihren Spielen nachzugehen. Unbeaufsichtigt ertranken die Kleinen an der Küste.

(3) Obwohl das Hotel keinen Ruhetag hat, ist es am 17.12. ganztägig geschlossen. Am nächsten Tag ist der Pub geöffnet. „Free WiFi“ erweist sich als dreiste Übertreibung. In der gewählten Ecke haben wir angeblich eine gute Connection. Tatsächlich ist die Verbindung so schlecht, dass wir bestenfalls und auch nur mit vielen Versuchen E-Mails empfangen und versenden können. Bei dieser Qualität ist in Anbetracht des Bierpreises selbst „free“ zu teuer. Für ein Pint und ein halbes Pint zahlen wir $13,30 (ca. 9.00 €).
Bier wird in Australien zu Phantasiepreisen verkauft. Eine kleine Dose Bier mit 1/3 Liter Inhalt kostet im Einzelhandel $3,50 - $4,00 bzw. $10,50 - $12,00 pro Liter (7€ - 8€). Glücklicherweise sind wir Weintrinker, aber auch die Weinpreise sind ähnlich abgedreht. Im Vergleich zu Westeuropa sind die Weinpreise für vergleichbare Qualitäten etwa doppelt so hoch.

(4) Andererseits wären wir gerne der Frage nachgegangen, ob neben der Würdigung vermeintlich heroischer kolonialer Pioniere auch das Schicksal der Aborigines in der Gegenwart thematisiert ist. Da sich die einheimische Bevölkerung nicht völlig widerstandslos vertreiben ließ, wurde sie wie Freiwild ausgerottet. Eines der grausamsten Massaker in der tasmanischen Kolonialgeschichte fand 1828 am ca. 30 km entfernten ‚Cape Grimm’ statt und ging als Cape-Grimm-Massaker in die unrühmliche australische Kolonialgeschichte Geschichte ein.  

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen